Patrick, Leiter der Fachgruppe Gewaltschutz

«Problemsprache schafft Probleme, Lösungssprache Lösungen.»

26.01.2022
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Stell dich doch mal vor. Wer bist du?
Ich heisse Patrick und arbeite bei der Kriminalpolizei als Leiter der Fachgruppe Gewaltschutz. Mit dem Start der Polizeischule 1997 begann meine Karriere bei der Luzerner Polizei.

Was waren die Gründe für deine Berufswahl?
Wie sicher bei vielen Arbeitskolleginnen und -kollegen war die Polizei auch bei mir ein Kindheitstraum. Nach einer Lehre als Zimmermann absolvierte ich eine Zusatzausbildung als dipl. Kaufmann, worauf ich im Anschluss noch einige Jahren in einem Holzhandelsbetrieb im Verkauf und Einkauf tätig war. Die Faszination, als Polizist tätig zu sein, liess mich jedoch auch in diesen Jahren nie los und so habe ich mit 25 Jahren meine Chance bei der Polizei wahrgenommen.

Welches sind aus deiner Sicht die wichtigsten Eigenschaften die eine Polizistin/ein Polizist mitbringen sollte?
Eine Polizistin/ein Polizist muss in erster Linie ein Menschenfreund sein, die nötige Empathie mitbringen und auch in schwierigen Situationen korrekt und doch konsequent mit Personen umgehen können. Eine Polizistin/ein Polizist sollte problemlösend, flexibel und pragmatisch handeln können. Es braucht eine gewisse Berufung für die anspruchsvolle und abwechslungsreiche Tätigkeit. Ein sehr wichtiger Punkt ist, in schwierigen Situationen einen kühlen Kopf bewahren zu können. Jeder Umstand ist wieder anders. Darum ist es wichtig, dass eine Polizistin/ein Polizist gerade in Gefahrensituationen, ich nenne es «eine gelassene Wachsamkeit», also eine genaue Beobachtung der Lage aufbringen kann, um schlussendlich richtig reagieren zu können. 
Polizistinnen und Polizisten sollten sich bewusst sein, dass sie längst nicht mehr bloss «Ordnungshüter», sondern Dienstleister/-innen mit vielen Kompetenzen sein müssen.

Wie war dein bisheriger Werdegang bei der Polizei? 
Nach Abschluss der Zentralschweizer Polizeischule 1997/1998 sammelte ich in den ersten drei Jahren Erfahrungen in den Polizeiregionen Willisau und Sursee, der Hauptwache inkl. dem Polizeiposten Bahnhof Luzern und der Verkehrspolizei. Durch diesen Umstand konnte ich bereits als junger Polizist wichtige Erfahrungen auf dem Land und in der Stadt sammeln und somit unterschiedlichste Menschen aus allen Bevölkerungsschichten kennenlernen. 
Zu dieser Zeit wurden in der damaligen Abteilung «Ständiger Präsenz- und Interventionsdienst» Stellen ausgeschrieben. So habe ich mich beworben und in einem Auswahlverfahren einen positiven Bescheid erhalten. Die nachfolgenden acht Jahre in der Sondereinheit war geprägt von interessanten, spannenden und intensiven Einsätzen. In dieser Zeit nutzte ich die Gelegenheit, mich für eine zweimonatige Kripostage zu melden. Einen Abteilungswechsel hatte ich damals eigentlich nicht angestrebt; ich schaute es mehr als eine polizeiliche Weiterbildung an. Ich fand jedoch schnell grossen Gefallen an dieser für mich noch neuen Polizeiarbeit. Da noch Stellen zu besetzen waren, habe ich mich beworben. Somit zog es mich nach acht Jahren zur Kriminalpolizei, wo ich auch heute noch mit Freude und Motivation arbeite und abteilungsintern in den verschiedensten Aktionen, Sonderkommissionen und Fachgruppen mitwirken durfte.

Wo bist du heute? Wie sieht deine jetzige Aufgabe aus?
Heute leite ich die Fachgruppe Gewaltschutz, welche ein wichtiger Teil des kantonalen Bedrohungsmanagements ist. Zusätzlich bin ich im Turnus noch als Tagesdienstleiter der Kriminalpolizei tätig. Meine gemachten Erfahrungen aus meinen beschriebenen früheren Tätigkeiten helfen mir dabei sehr. In der Fachgruppe Gewaltschutz kann ich auf meinen Stellvertreter und ein kameradschaftliches und motiviertes Team zählen. 
Der Gewaltschutz ist in den meisten Kantonen der Schweiz noch eine jüngere Fachdisziplin und wurde bei der Luzerner Polizei 2016 ins Leben gerufen. Bei vielen Gewalttaten in der Vergangenheit gab es im Vorfeld Warnzeichen, die zu wenig beachtet oder im Gesamtzusammenhang nicht oder kaum erkennbar waren. Wir wollen bei unserer Arbeit vorausschauend denken und handeln. Gewalt im Voraus erkennen und abwenden – auf Vorzeichen achten und heikle Situationen entschärfen. 
Wir versuchen bei bedrohlichem Verhalten einer Person, täter- wie auch opferseitig, durch Information und aktives Handeln Gewaltdelikte zu verhindern. Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es jedoch nicht. Präventionsarbeit ist leider nur zu einem geringen Teil messbar. Ich bin jedoch überzeugt, dass wir durch unsere Arbeit schon etliche substanzielle Gewaltdelikte und somit viel Leid verhindern konnten. Täglich erhalten wir mehrere Gefährdungsmeldungen. Wir kommen hauptsächlich zum Zug, wenn es um Häusliche Gewalt, Stalking, Gewalt gegen Behörden und Beamte, Radikalisierungen, Gewalt im Namen der Ehre, Zwangsheirat, Amoklauf oder allgemein bei Fällen von substanzieller Gewalt bzw. deren Androhung geht. 
Mehrheitlich streben wir an, mit den Gefährdern und den Gefährdeten persönlich zu sprechen. Der grösste Teil empfängt uns bei sich zu Hause. Statt nur reines Aktenstudium ermöglicht uns dieses Vorgehen eine gesamtheitlichere Beurteilung der aktuellen Situation. Wenn es sein muss beschlagnahmen wir Waffen und können in einzelnen Fällen auch weitere Ermittlungen tätigen und Massnahmen einleiten. 
Wir suchen Lösungen; die Bestrafung steht nicht im Vordergrund. Deshalb lautet unser Grundsatz «Prävention vor Repression». Zusätzlich sollen auch die gefährdeten Personen eine spürbare Entlastung bekommen und spezialisierte Beratungs- und Betreuungsangebote bis hin zum eigentlichen Opferschutz in Anspruch nehmen können. Oft ist unsere Arbeit kein Alleingang. Wir vernetzen uns mit anderen Organisationen und Polizeiabteilungen, um gezielt agieren und intervenieren zu können. 

Gibt es eine berufliche Situation die dir besonders in Erinnerung geblieben ist?
Die meisten Polizistinnen und Polizisten könnten nach einigen Jahren Berufserfahrung wohl ein ganzes Buch schreiben. Es bleiben einem wirklich viele sowohl erfreuliche, aber auch oft schwierige Situationen wie Unfälle und Gewalt in Erinnerung. Hier ein kleiner Einblick:
Sehr gerne erinnere ich mich zurück, wie mein Kollege und ich im Rahmen unserer Patrouillentätigkeit eine Person mit Atem- und Kreislaufstillstand wiederbeleben konnten und diese ihre Gegenstände einige Monate später wieder persönlich am Schalter des Polizeipostens abholen konnte. Es sind unzählige Kleinigkeiten, welche positiv in Erinnerung bleiben. Personen, welchen wir in ihrer Notsituation behilflich sein konnten und diese uns ihre Dankbarkeit spüren liessen; aber auch die Erkenntnis, zusammen im Team einen intensiven und schwierigen Einsatz erfolgreich gemeistert zu haben, waren jedes Mal eine enorme Bereicherung. 

Natürlich bleiben auch negative Erinnerungen an einem haften. Einmal hatten wir einen Vater, welcher vor den Augen seiner kleinen Kinder mit einem Messer bewaffnet gegen uns massive Gewalt ausübte. Dies war eine äusserst schwierige Situation. Einerseits mussten wir die Kinder, ihn selber und andererseits auch uns schützen. Auch das Überbringen von Todesnachrichten an Angehörige erfordert jedes Mal das nötige Takt- und Feingefühl. Ebenfalls in Erinnerung bleibt mir, als wir einem Vater an seinem Arbeitsort mitteilen mussten, dass sein Kind bei einem Verkehrsunfall verstorben war und diesen danach noch zum Unfallort fahren mussten. 

Würdest du dich wieder für den Beruf Polizistin/Polizist entscheiden?
Ja. Ich kann mit Überzeugung sagen, dass ich mich wieder für den Beruf Polizist entscheiden würde. Für eine Polizistin und einen Polizisten eröffnen sich mit dem grossen Aufgabenbereich und den verschiedensten Abteilungen, Sondergruppen etc. unzählige Möglichkeiten. Je nach Präferenz und Affinität kann dies ein Dienst in der Uniform, in zivil, in einem spezialisierten Aufgabenbereich und/oder einer hauptsächlichen Führungsaufgabe sein.

Möchtest du noch etwas Abschliessendes sagen?
"Problemsprache schafft Probleme, Lösungssprache Lösungen."
Steve de Shazer

 


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