Carla, 2. Stv. Chefin Ausbildungsformation

Es ist mir wichtig, ein Vorbild zu sein und meine gemachten Erfahrungen weiterzugeben.

27.07.2023
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Stell dich doch mal vor. Wer bist du?
Mein Name ist Carla und ich bin 44 Jahre alt. Im Jahr 2010 absolvierte ich die Interkantonale Polizeischule in Hitzkirch (IPH). Anschliessend arbeitete ich bis ins Jahr 2021 in der Polizei Region Stadt im Frontdienst. Danach kam der Wechsel zur Ausbildungsformation, wo ich bis heute als 2. Stv. Chefin tätig bin.

Warum bist du Polizistin geworden? Was macht der Beruf für dich aus?
Im Sinne des typischen Kindheitstraums war der Beruf nicht an erster Stelle. Da kam noch der Clown im Zirkus dazwischen :-). Der Beruf faszinierte mich aber schon seit Kindheit. Verschiedene Lebensumstände – aber auch den Mut den Schritt zu machen – fehlte mir irgendwie. Ich machte eine Lehre als Dentalassistentin und bildete mich weiter zur Prophylaxeassistentin. Anschliessend folgte eine längere Reise ins Ausland. Die Faszination für den Beruf Polizistin, blieb. Ich nutzte die Gelegenheit, die Infoveranstaltung der Luzerner Polizei zu besuchen. Da kam ich schliesslich zur Überzeugung, diesen Weg zu gehen. Noch am gleichen Abend schrieb ich meine Bewerbung und es klappte.

Wo warst du bei der Luzerner Polizei schon überall tätig?
Während der Polizeischule absolvierte ich ein Praktikum bei der Verkehrspolizei. Nach dem Polizeiabschluss an der IPH wurde ich in die Polizeiregion Stadt eingeteilt. Als frischgebackene Polizistin konnte ich im städtischen Gebiet extrem viel lernen und profitieren. Ich traf eine enorme Bandbreite von Fällen an, welche meinen Erfahrungsschatz prägten. Einsicht in so viele verschiedene Lebensumstände der Gesellschaft zu haben, faszinierte mich.  Die Prüfung zur Einsatzgruppenchefin brachte mit sich, dass ich für die Funktionsübernahme mein Team wechseln musste. Ich blieb aber weiterhin in der Polizeiregion Stadt.  Im Nebenamt leistete ich Pionierarbeit bei der Bike Police. Im Verlauf meiner Tätigkeit als Polizistin konnte ich von verschiedenen weiteren Ausbildungen profitieren. Bei der Sondergruppe Peers bin ich bis heute in einer Nebenfunktion tätig. Die Peers sind kollegiale Ansprechpartner, welche in psychosozialer Nothilfe ausgebildet sind. Sie begleiten und unterstützen ihre Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen, welche Mühe haben, belastende Ereignisse aus ihren Einsätzen zu verarbeiten.

Während meiner Tätigkeit als Polizistin konnte ich vermehrt als Praktikumsbetreuerin die jungen Aspirantinnen und Aspiranten betreuen. Ich stellte fest, dass mir das Arbeiten mit den jungen Polizistinnen und Polizisten enorm gefällt. Sie auf dem Weg zu ihrem Ziel, welches auch mal mein Ziel war, zu begleiten, löste etwas in mir aus. Mit dem Start der zweiphasigen Polizeiausbildung, wurde bei der Luzerner Polizei entschieden, eine Ausbildungsformation zu gründen. Dies bedeutet, dass alle Polizeischüler der Luzerner Polizei welche die Vorprüfung an der IPH erfolgreich bestanden haben, anschliessend für ein Jahr in die Ausbildungsformation kommen und die zweite Ausbildungsphase dort absolvieren. Somit war für mich der nächste Schritt klar. Ich wollte Teil davon sein und ich möchte einen Beitrag dazu leisten, dass wir zukünftig gut ausgebildete Polizistinnen und Polizisten im Korps haben. Ich absolvierte den ersten Führungslehrgang beim SPI (Schweizerisches Polizei-Institut), habe mich als 2. Stv. Chefin der Ausbildungsformation beworben und wurde für die neue Herausforderung gewählt.

Wie sieht dein «Arbeitsalltag» in der Ausbildungsformation aus?
Die Leitung Ausbildungsformation besteht aus drei Leitungsmitgliedern. Gemeinsam leiten wir den Dienst in personeller und fachlicher Hinsicht. Jeden Tag ist eine Person des Leitungsteams definiert, welche als Dienstchef/in für das «Daily Business» verantwortlich ist. Diese/r startet den Dienstantritt in Form eines Briefings.

In meiner Funktion bin ich im engen Austausch mit den Praxisbegleitern, welche die Aspirantinnen und Aspiranten «on the Job» begleiten. Während der zweiten Ausbildungsphase sind die angehenden Polizistinnen und Polizisten in ein Mentoring Programm eingebunden. Dies beinhaltet ein Einführungsgespräch, Standortbestimmungen, ein Abschlussgespräch, Erstellen von verschiedenen Praxisinstrumenten wie beispielsweise das Ausfüllen eines Dispochecks oder Kompetenzrasters, absolvieren von verschiedenen Ausbildungsmodulen, leisten von Fronteinsätze, Teilnahme an Ordnungsdiensteinsätzen, usw.

Für mich resultieren daraus verschiedenste Aufgaben. Gesprächsvorbereitungen und Durchführungen. Planen der Ausbildungsmodule und Absprachen mit verschiedenen Partner und Partnerorganisationen. Erstellen von Einsatzbefehlen, planen von Einsätzen usw.
Nebst Arbeiten mit grösserer Verantwortung erledige ich auch viele kleine Angelegenheiten. Bei so vielen Mitarbeitern benötigt es beispielsweise auch eine Hausordnung und Regeln, welche eingehalten werden müssen. Der Part des «Hausdrachens» übernahm ich freiwillig. Innerhalb der Ausbildungsformation ist es wie mit dem Gegenüber auf der Strasse. Kommuniziere ich anständig und gut gesinnt, ist es meistens kein Problem anzusprechen, wenn Regeln nicht eingehalten wurden. Das Feuer speien des Drachens ist somit eher selten notwendig.

Nebst meiner Funktion als Vorgesetzte bin ich gleichzeitig Mentorin von mehreren Aspirantinnen und Aspiranten und begleite diese durch die zweite Ausbildungsphase. Nach Möglichkeit leiste ich zusammen mit den Aspiranten selbst noch Einsätze im Frontdienst. Auch leiste ich nach wie vor Ordnungsdienst und nehme an den Einsatztrainings teil. Ich wirke als Assessorin an den Rekrutierungstagen der Bewerbungskandidaten mit und bin an den Eidgenössischen Berufsprüfungen Polizistin/Polizist als Prüfungsexpertin tätig.

In der zweiten Ausbildungsphase geht es hauptsächlich darum, «on the Job» zu arbeiten. Das Praxis Know-how aufzubauen und das Erfahrungswissen zu konsolidieren. Für mich persönlich ist es immer sehr spannend zu beobachten, wie sich die Polizistinnen und Polizisten innerhalb der zweiten Ausbildungsphase entwickeln und das gelernte in die Praxis umsetzen. Es gelingt ihnen, sich immer besser zu reflektieren und die Erkenntnisse darüber in den Polizeialltag zu integrieren. 

Während der Praxisausbildung, gehören die Aspirantinnen und Aspiranten also bereits zum «aktiven Bestand». Wie können wir uns das genau vorstellen?
Nach den bestandenen Vorprüfungen an der IPH absolvieren die Aspirantinnen und Aspiranten ein Modul mit korpsspezifischen Ausbildungen innerhalb der Luzerner Polizei. Anschliessend starten sie im normalen Dienstbetrieb der Ausbildungsformation. 

Jeder Aspirant wird einem Praxisbegleiter und einem Mentor zugeteilt. Der Praxisbegleiter begleitet seine zugeteilten Aspiranten intensiv «on the Job». Die Mentoren begleiten den Prozess überfliegend. Im besten Fall sind immer zwei Aspiranten mit einem Praxisbegleiter unterwegs. Teilweise leisten die Aspirantinnen und Aspiranten auch gemeinsame Dienste ohne Praxisbegleiter. Nun gilt es möglichst viel Erfahrung an der Front zu sammeln. 

Wir verfügen über verschiedene Dienste wie zum Beispiel: Frühdienst, Tagesdienst, Spätdienst, Nachtdienst oder Sonderdienst. Während den führenden Diensten sind wir der Einsatzleitzentrale unterstellt. In Sonderdiensten können eigenständig Aktionen und Kontrollen geplant werden. Das Einsatzgebiet ist der ganze Kanton Luzern. Ebenfalls haben die Aspirantinnen und Aspiranten die Möglichkeit, Aktionen von anderen Abteilungen, beispielsweise der Kripo, zu unterstützen und an Hausdurchsuchungen teilzunehmen.

Die Aspirantinnen und Aspiranten müssen für die Eidgenössische Berufsprüfung Polizistin/Polizist einen Portfoliobericht erstellen sowie ein Fachgespräch führen. Deshalb sind sie während der zweiten Ausbildungsphase, wie bereits erwähnt, in ein Mentoringprogramm eingebunden. Sie erstellen Dispochecks um sich mit ihren Einstellungen und Haltungen auseinanderzusetzen. Sie machen Einschätzungen über ihre Kompetenzen anhand eines Kompetenzrasters. Zusammen mit dem Praxisbegleiter werden Standortsbestimmungen durchgeführt.

Hier ist es meine Aufgabe, den ganzen Prozess zu überwachen und allenfalls Unterstützung zu bieten, wo es notwendig ist. Um für das Fachgespräch etwas Sicherheit zu gewinnen, absolvieren wir zusammen mit den Aspirantinnen und Aspiranten ein Modul in welchem wir ihnen die Möglichkeit geben, ihre Präsentation zum Fachgespräch vorzutragen und wir stellen ihnen ein paar Fragen. So können wir ihnen die Prüfungssituation etwas näherbringen und sie gewinnen an Sicherheit. 

Was ist deine persönliche Motivation für deine Funktion?
Die Luzerner Polizei legt viel Wert auf gut ausgebildete Leute. Auch mir persönlich ist es wichtig, dass die Aspirantinnen und Aspiranten die nötigen fachlichen Grundlagen für ihren zukünftigen Beruf erhalten. Ich begleite sie während der Ausbildung und bereite sie damit nicht nur auf die Prüfung, sondern auch auf das Arbeitsleben als Polizistin oder Polizist vor. Ein wichtiger Teil ist, sich stets zu reflektieren. Wie wirkt sich das eigene Verhalten auf mein Gegenüber aus. Wo sind meine Stärken und wo kann ich mich weiterentwickeln. Es ist mir wichtig, ein Vorbild zu sein und meine gemachten Erfahrungen weiterzugeben. Darüber hinaus ist es eine tolle und abwechslungsreiche Aufgabe welche mich täglich aufs Neue herausfordert. 

Sicherlich könntest du hier einiges erzählen. Aber gibt es einen Einsatz der dich besonders geprägt hat oder an welchen du dich gerne zurückerinnerst?
Ich könnte einige Bücher schreiben. Eine Bandbreite von Krimis, Romanen, Komödien und Schauermärchen. Ich erlebte im Verlauf meiner Zeit im Frontdienst so einiges. Eine Palette voller spannender Einsätze, tragischer Ereignisse, lustige Momente, Begegnungen mit unterschiedlichen Menschen in verschiedenen Lebenslagen. 

Mir persönlich war es immer wichtig, wo möglich, die Rolle als Freund und Helfer bewusst auch auszuleben. Ereignisse welche begleitet von Gewalt und Zwangsanwendungen sind, erlebt man zwangsläufig. Mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und mit Kleinigkeiten Gutes zu tun ist mir wichtig. Im Verlauf dieser Jahre habe ich mir einen Ordner zusammengestellt mit allen «Dankeschöns» welche ich erhalten habe. Es sind Briefe, Karten und Mails von Menschen, welchen ich auf irgendeine Art und Weise etwas Gutes getan habe und sie sich dafür bedankt haben.

Besonders freut mich, dass gewisse Ereignisse schon Jahre her sind und ich immer noch Zeichen der Dankbarkeit und Wertschätzung bekomme. Eine Frau schickt mir jedes Jahr am Todestag ihres Sohnes einen Blumenstrauss oder bringt mir persönlich etwas vorbei. Ich habe ihren Sohn vor sieben Jahren blutüberströmt aufgefunden. Er hat sich mit einer Waffe in den Kopf geschossen und suizidiert. Ich musste damals nach dem Einsatz den Angehörigen die Todesnachricht überbringen. Es war eine herausfordernde Aufgabe. Die Familie ist bis heute dankbar über die Arbeit der Polizei und schätzte unsere Hilfsbereitschaft. Solche Zeichen bestätigen mir unter anderem, dass ich meinen Job gut mache.  

Ich könnte über viele unschöne Ereignisse berichten. Suizide, Gewaltdelikte oder Verkehrsunfälle mit tödlichem Ausgang, bei welchem Kinder involviert waren. Ereignisse mit Kindern haben nochmals eine ganz andere Dynamik. Ich erinnere mich an einen Verkehrsunfall, bei welchem ein Kind von einem Lastwagen angefahren wurde. Durch den Unfall wurde das halbe Bein abgerissen. Als ich vor Ort kam, kümmerte ich mich umgehend um das Kind. Das laute Geschrei des Kindes vor Schmerzen, das Bild des halb abgerissenen Beins sowie der Zusammenbruch des Lastwagenfahrers, als ich mit diesem sprechen wollte, begleitete mich noch lange nach dem Einsatz. Das Geschrei des Kindes hörte ich oft vor dem Einschlafen in meinen eigenen Ohren. Es ist wichtig, dass man privat in einem guten Umfeld eingebettet ist, Hobbies pflegt um vom Berufsalltag immer wieder Distanz nehmen zu können und abzuschalten. 

Der Beruf Polizist/-in ist in den letzten Jahren anspruchsvoller geworden. Würdest du dich trotzdem wieder dafür entscheiden?
Auf jeden Fall ja. Mein Horizont hat sich weiter geöffnet und ich habe viel über mich selbst gelernt. Ich sehe die Welt mit offeneren Augen. 

Noch eine letzte Frage, für alle, die auch gerne dem Polizeiberuf nachgehen möchten. Wie bereitet man sich am besten darauf vor?
Durch gezieltes Training. Dies beinhaltet sowohl die physische als auch die psychische Leistungsfähigkeit. Gute Deutsch- sowie Staatskundekenntnisse sind im Polizeiberuf sehr wichtig Ebenfalls sollte man die Fertigkeiten im Tastaturschreiben üben. Nebst der Tätigkeit auf der Strasse, erledigt ein Polizist/eine Polizistin auch einiges im Büro. Der administrative Aufwand ist immer höher geworden und wird oftmals unterschätzt. Auch das Schwimmen gehört zu einem wichtigen Teil. In all diesen Bereichen bereits über eine gute Basis zu verfügen, erleichtert einem die zweijährige Ausbildung zur Polizistin/Polizist.

Möchtest du noch etwas Abschliessendes sagen? 
Bilde dich selbst, und dann wirke auf andere, durch das, was du bist.


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  • Josef Felber 27.07.2023, 14:03 Uhr
    Liebe Carla Herzliche Gratulation zu deiner Beförderung in deiner verantwortungsvollen Arbeit als Ausbildnerin bei der KAPOLU. Dein Schlusswort beeindruckt uns: Oder wie Abraham Lincoln gesagt hat “ Andere in Guete für uns gewinnen, das muss unser Leitgedanke sein, Und genau das tust du! WOW. Viel Glück und Erfolg wünschen dir. Elsbeth und Josef
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